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Medienkonsum in der Diskussion

Daddeln laut Studie nicht schädlich fürs Kindergehirn! Können Kids so lange, wie sie wollen?

Zeit am Smartphone oder Tablet? Davon kann es für Kinder nie genug geben!
Zeit am Smartphone oder Tablet? Davon kann es für Kinder nie genug geben!
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von Ingo Jacobs

Wie viel Medienzeit darf es sein? Alle Eltern kennen diesen Dauerstresstest! Doch ist der überhaupt nötig?

Intensiver Medienkonsum schadet der Entwicklung der kleinen Köpfe, glauben die meisten Eltern. Doch eine aktuelle Studie der Universität Oxford zeigt: Stimmt nicht! Heißt das jetzt, Kinder dürfen so oft und lange, wie sie wollen? Ein Neurologe und eine Medienpädagogin bewerten die neuen Erkenntnisse.

Deutsche Kinder täglich dreieinhalb Stunden vor dem Bildschirm

Daddeln, Chatten, Videotelefonie, YouTube-Videos, TikTok-Clips, Fernsehen und PC-Spiele: Dreieinhalb Stunden täglich verbrachten Kinder und Jugendliche laut einer Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest im Jahr 2023 vor dem Bildschirm. Im Corona-Jahr 2020 waren es sogar fast viereinhalb Stunden.

Forscher des Oxford Internet Institute haben die kognitiven Funktionen von 9- bis 12-jährigen Kindern zusammen mit ihrer selbstberichteten Bildschirmnutzung untersucht. Dazu wurden Daten der größten Langzeitstudie zur Gehirnentwicklung und Gesundheit von Kindern in den USA ausgewertet.

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Keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Hirnentwicklung

Mittels MRT wurde untersucht, wie die Regionen des Gehirns zusammenarbeiten, einschließlich emotionaler und physiologischer Aktivitäten. Zusätzlich wurden Bewertungen der physischen und psychischen Gesundheit sowie Informationen von den Betreuern der Kinder zur Verfügung gestellt.

Was die Forscher herausfanden: Selbst bei hoher Bildschirmmediennutzung gab es keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Hirnentwicklung. „Es gab keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Bildschirmnutzung und Messungen des kognitiven und psychischen Wohlbefindens, obwohl die Beweisschwelle sehr niedrig war", heißt es in der Pressemitteilung der Universität Oxford.

Medienpädagogin: „Haben trotzdem pädagogische und erzieherische Verantwortung“

Die Medienpädagogin Dr. Iren Schulz sagt trotzdem: „Hier muss man noch einen Schritt weitergehen. Heißt das jetzt: Okay, alles klar, alles gut – wir brauchen uns keine Sorgen zu machen?“ Nein, das heiße es nicht: „Wir haben ja trotzdem eine pädagogische und erzieherische Verantwortung!“ Die Zeiten sollten im Rahmen bleiben, die Inhalte sollten passen, Interaktionsrisiken sollten vermieden werden: „Diese erzieherischen Herausforderungen, die bleiben ja“, sagt Schulz, die auch die Initiative ‘SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht’ berät. An den bisherigen Empfehlungen zur Medienzeit würde sie weiter festhalten.

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Die Ergebnisse der Umfrage sind nicht repräsentativ.

Neurologe: Andere Studienergebnisse zeigen Entwicklungsstörungen

Auch für den Neurologen Dr. Christoph Kleinschnitz vom Universitätsklinikum Essen gibt es ein klares Aber: „Man muss das auch im Kontext anderer Studien sehen. Es gibt andere Studien mit Gleichaltrigen, aber auch mit jüngeren Kindern, bei denen man andere Ergebnisse gefunden hat, also Entwicklungsstörungen in Bezug auf Sprachentwicklung, Motorik oder Aufmerksamkeit.“

In diesen Studien habe man durchaus einen Zusammenhang zwischen der Dauer der Mediennutzung und schlechteren Leistungen in diesen Bereichen gefunden, das könne man jetzt nicht einfach wegwischen. Auch das Suchtverhalten, das bereits sieben Prozent der Kinder in diesem Alter zeigen würden, sei hier nicht berücksichtigt worden.

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Studie kann zu etwas mehr Gelassenheit bei den Eltern führen

Einen positiven Aspekt sieht der Experte jedoch auch: „Die meisten glauben, dass übermäßiger Medienkonsum für Kinder und ihre Gehirnentwicklung oder ihre Entwicklung generell sehr schädlich ist“, sagt Kleinschnitz. „Das ist jetzt in dieser Studie anhand der gemessenen Parameter nicht herausgekommen.“ Insofern könnten die Ergebnisse zu etwas mehr Gelassenheit bei den Eltern führen. Denn digitale Medien seien ein Instrument der Zeit, mit dem Kinder umgehen lernen müssen – auf die eine oder andere Weise.

Das entspricht auch den Zielen der Studienmacher: „Unsere Ergebnisse sollen dazu beitragen, die hitzigen Debatten über Technik von Übertreibungen weg und hin zu guter Wissenschaft zu lenken. Wenn die Forscher ihre Herangehensweise an die Erforschung von Technologie nicht verbessern, werden wir nie erfahren, was dazu führt, dass einige junge Menschen im digitalen Zeitalter untergehen und andere aufblühen“, betont der Leiter der Studie, Professor Andrew Przybylski.

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